Frage: Wie ist die Bereitstellung von
Heizwärme auf der Basis von industrieller Abwärme, Deponie- oder Gichtgas und
aus Müllverbrennungsanlagen beim Nachweis des Jahres-Primärenergiebedarfs zu
bewerten?
Antwort der Projektgruppe EnEV der Fachkommission
Bautechnik der
Bauministerkonferenz vom 26.02.2008:
1. Die Berechnung des Jahres-Primärenergiebedarfs
erfolgt bei Wohngebäuden nach DIN V 4701-10:2003-08, geändert durch A1:2006-12,
unter Verwendung der in dieser Norm genannten Primärenergiefaktoren für den
nicht erneuerbaren Anteil (Spalte B der Tabelle C.4-1 in der geänderten Norm).
Bei Nichtwohngebäuden ist DIN V 18599:2007-02 anzuwenden, wobei die
Primärenergiefaktoren nach Anhang A dieser Norm zu bestimmen sind.
2. Für Nah- und Fernwärmenetze geben die Normen
lediglich Eckwerte für die Fälle an, in denen die Wärme
-
zu
100 % aus Kraft-Wärme-Kopplung mit fossilem Brennstoff
-
zu
100 % aus Kraft-Wärme-Kopplung mit erneuerbarem Brennstoff
-
zu
100 % aus erneuerbarem Brennstoff ohne Kraft-Wärme-Kopplung oder
-
zu
100 % aus fossilem Brennstoff ohne Kraft-Wärme-Kopplung
gewonnen wird. Andere Fälle, insbesondere viele Mischfälle aus
der Praxis, sind mit einem in der jeweils anzuwendenden Norm
angegebenen Rechenverfahren zu bestimmen.
3. Wird
jedoch Wärme aus industrieller Abwärme, aus Müllverbrennung, aus
Deponie- oder Gichtgas in Nah- oder Fernwärmenetze eingespeist, so
fehlt ein Maßstab für die Bewertung.
4. Die
von der Norm erfassten erneuerbaren Brennstoffe zeichnen sich durch
die Eigenart aus, dass für die aus ihnen gewonnene Wärme keine
energetischen Ressourcen aufgebraucht werden. Von vergleichbaren
Verhältnissen ist auszugehen, wenn Deponiegas, Gichtgas
(Abfallprodukt der Stahlerzeugung) oder Müll verbrannt wird und die
Wärme über Wärmenetze zur Gebäudebeheizung verwendet wird. Die
genannten Abfallstoffe dürfen daher den erneuerbaren Brennstoffen
gleichgesetzt werden, wobei in Müllheizwerken der im Prozess
mitverwendete Anteil nicht erneuerbarer Energieträger berücksichtigt
werden muss.
Werden die genannten Gase in dezentralen Anlagen (im Gebäude selbst)
verbrannt, so ist analog zu verfahren.
5. Bei
der Nutzung industrieller Abwärme zu Heizzwecken dagegen handelt es
sich um einen Koppelprozess, vergleichbar dem der
Kraft-Wärme-Kopplung. Es ist also vertretbar, dem ursächlichen Zweck
der Produktion von Gütern einen erheblichen Teil der für den
Gesamtprozess aufgewendeten Energie zuzuscheiden, wie dies bei der
Kraft-Wärme-Kopplung für die Stromproduktion geschieht.
6. Da
aber die produzierten Güter meist nicht rein energetisch
beschreibbar sind wie der Strom, erschließen sich die in Rede
stehenden industriellen Prozesse nicht ohne Weiteres dem
Rechenmodell für die Kraft-Wärme-Kopplung. Aufwendige
energiewirtschaftliche Gutachten zur primärenergetischen Bewertung
der jeweiligen Prozesse sind jedoch unangemessen; der
Berechnungsaufwand ist im Sinne von § 25 Abs. 1 EnEV 2007 in der
Regel nicht vertretbar und würde für die an sich wünschenswerte
Nutzung im Einzelfall ein Hemmnis bedeuten.
7. Vor
diesem Hintergrund darf bei Wärmenetzen, die deutlich überwiegend
durch Abwärme aus industriellen Produktionsprozessen gespeist
werden, für Wohngebäude derjenige Primärenergiefaktor nach DIN V
4701-10:2003-08, geändert durch A1:2006-12 (Spalte B der Tabelle
C.4-1 in der geänderten Norm) verwendet werden, der dort für Nah-
und Fernwärme angegeben ist, die zu 100 % aus Kraft-Wärme-Kopplung
mit fossilen Energieträgern stammt. Für Nichtwohngebäude findet sich
die analoge Regelung in DIN V 18599:2007-02, Teil 1 Tabelle A.1
Spalte B.

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